Synopses & Reviews
Warum sieht das Grundgesetz keine Sachentscheidungen des Volkes vor? Dem liegen keineswegs die angeblich schlechten "Weimarer Erfahrungen" mit Volksbegehren und Volksentscheid zugrunde. Vielmehr lehnte der Parlamentarische Rat 1948/49 alle Formen direkter Demokratie deshalb ab, weil er im Kalten Krieg der KPD bzw. SED keine Chance geben wollte, sich dieser Instrumente zu bedienen. Über die junge Bundesrepublik wurde gewissermaßen eine "plebiszitäre Quarantäne" verhängt. Mit dem Ende dieser Kampfposition ist auch die Räson für jene antiplebiszitären Entscheidungen entfallen.
Synopsis
Der erste Forderungsantrag fur die vorliegende Arbeit datiert vom 26. April 1988. Das Projekt wurde also vor dem Aufschwung des Themas "Direkte Demokratie" entwickelt, dessen Beginn man mit dem Kurzel, 1989" bezeichnen kann. Wenn die abgeschlossene Untersuchung nun auch nach dem Ende der einschlagigen Konjunktur vorgelegt wird - die Ein fuhrung von Volksbegehren und Volksentscheid auf Bundesebene hat in der Gemeinsamen Verfassungskommission am 11. Februar 1993 zwar eine einfache Mehrheit gefunden, aber die erforderliche Zweidrittelmehrheit verfehlt -, so geschieht dies in der Uberzeugung, dass auch und gerade nach einer politischen Entscheidung das wissenschaftliche Argument sein eigenes Recht wiedergewinnt. Geforscht und geschrieben habe ich also wohl zumeist in einer Zeit, in der dieses Thema uberraschend aktuell war; geplant hatte ich aber immer - und hoffe es eingelost zu habe- eine Grundlagenarbeit. Die hier skizzierte Distanz gilt auch im Personlichen. Meine politikwis senschaftliche Position ist aus Publikationen bekannt, auch aus meinen verfassungspolitischen Optionen habe ich kein Hehl gemacht. Gleichwohl habe ich hier versucht, einen Vorgang sine ira et studio aufzuhellen. Was den zeitgeschichtlichen Erklarungszusammenhang angeht, hatte ich zwar schon vor dieser Untersuchung eine Hypothese aufgestellt (in: Leviathan 1987), und gewiss habe ich gehofft, dass das jetzt abgeschlossene Projekt die damals geausserte Vermutung bestatigen wurde; aber ich habe es nicht darauf angelegt, eine gefasste Meinung affirmativ zu belegen. Ohne das Risiko, dass man irrt, und die Courage, den erkannten Irrtum einzuraumen, wurde eine solche Untersuchung der Fortschrittschance oder der wissen schaftlichen Wurde ermangeln."
About the Author
Dr. iur. Otmar Jung ist Privatdozent für Grundlagen der Politik und Rechtsgeschichte am Fachbereich Politische Wissenschaft der Freien Universität Berlin.
Table of Contents
Direkte Demokratie in den Plänen des Exils, des Widerstands und im ersten Nachkriegsjahr - Direkte Demokratie in den Ländern unter westlichem Einfluß 1946/47: die Landesverfassungen - Direkte Demokratie in der Strategie der SED - Entwürfe einer gesamtdeutschen Verfassung im Westen - Vorstöße der SED: Der Kalte Krieg beginnt - Die Wirkung im Westen: Abschottung - Der Parlamentarische Rat - Das Quarantänekonzept.