Synopses & Reviews
Synopsis
'Dabei tritt umgekehrt auch eine Affinitat der epikureischen Lehre zur dichterischen Ausdrucksweise zutage. Diese ist sowohl in der beiden Bereichen eigenen Konkretisierung nur geistig fassbarer Sachverhalte als auch in der Entsprechung von philosophischer Dogmatik und rhetorischer Epideixis begrundet.' Die Wortanordnung ist ein zentrales poetologisches Charakteristikum von Lukrez' De rerum natura. Durch diese wird eine Klarheit erreicht, die Sachverhalte, welche der sinnlichen Wahrnehmung entzogen sind, mimetisch abzubilden vermag. In dieser mimetischen Wortanordnung erscheinen Inhalt und Form eng aufeinander bezogen. Sie kann durch Philodems Traktat De poematis erlautert werden, in dem er als Kriterium fur gute Dichtung die Einheit von Inhalt und Form fordert. Gemass der epikureischen Lehre liegt allen Dingen eine endliche Zahl verschiedener Formen von Urkorperchen zugrunde. Daraus resultiert eine Ahnlichkeit aller Dinge, welcher in De rerum natura die bildliche Sprache als zweites in dieser Studie behandeltes poetologisches Charakteristikum gerecht wird. Das Konzept einer allgemeinen Ahnlichkeit zieht auch Philodem in De signis heran, um den Analogieschluss als adaquates Mittel zur Erkenntnisgewinnung zu erweisen. Dabei folgt er einem vagen Ahnlichkeitsbegriff, wie ebenso die poetischen Bilder in De rerum natura letztlich unbestimmt bleiben mussen. Einzig die rhetorische Tugend der Klarheit erfahrt in Philodems Rhetorica eine ausfuhrliche Behandlung. In diesem Kontext wird deutlich, wie haufig in De rerum natura durch die detaillierte Zerlegung des zu beschreibenden Sachverhalts, die in dieser Studie als drittes poetologisches Charakteristikum erlautert wird, grosstmogliche Explizitheit erzielt wird. In epikureischer Unterweisung wird die emotionale Erschutterung des Schulers verfolgt. Diese emotionale Erschutterung wird in Philodems De libertate dicendi wiederholtermassen durch die Analogie zur medizinischen Reinigung erklart. Die Analogie zur Medizin erhellt den bei Lukrez prominenten Absinthvergleich, in dem De rerum natura als therapeutische Dichtung beschrieben wird. Ihre Wirkung wird durch das Lehrer/Schuler-Verhaltnis im Lehrgedicht - das vierte poetologische Charakteristikum in dieser Studie - gewahrleistet.