Synopses & Reviews
Begreift man Tarifautonomie als ein institutionalisiertes Tausch-Arrangement zwischen Tarifverbänden und Staat, dann lässt sich nach den Interessen des Staates bezüglich der Tarifautonomie ebenso fragen wie nach seinen Möglichkeiten, diese Interessen durchzusetzen und das Handeln der Sozialpartner zu beeinflussen. Thilo Fehmel untersucht die Motive, die Methoden und die Effekte dieser staatlichen Steuerungsversuche. Insgesamt öffnet sich so der Blick nicht nur auf den jahrzehntelangen Wandel des Tarifsystems, sondern auch auf die Entwicklung des Verhältnisses von Tarifverbänden und Staat. Als Grundkonstante dieses Verhältnisses ergibt sich der Befund einer gesteuerten Autonomie.
Synopsis
Im alltaglichen Sprachgebrauch bezeichnet Tarifautonomie gemeinhin das Recht der Tarifpartner, ohne staatliche Einmischung die Tauschbedingungen fur ihre M- glieder am Arbeitsmarkt zu regeln. Diesem Verstandnis entsprechend hat sich der Staat der Einmischung in die Ausgestaltung der kollektiven Arbeitsbeziehungen vollkommen zu enthalten. Ihm kommt lediglich die Aufgabe zu, einen institut- nellen Rahmen, eben einen Konfliktrahmen, fur diese autonome Regelung zur V- fugung zu stellen, in dem die kollektiven Arbeitsmarktakteure die widerspruchlichen Interessen ihrer Mitglieder temporar zu Interessenkompromissen verarbeiten k- nen. Dieser durch Gesetzgebung geschaffene, selbst aber gesetzgebungsfreie Re- lungsraum steht durch Ableitung aus dem Grundrecht auf Vereinigungs- und Koa- tionsfreiheit unter grundgesetzlichem Schutz. Die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen durch kollektive Akteure geniet zwar Vorrang gegenuber staatlichem Interventionswillen, nicht aber absoluten Schutz: staatliches Handeln darf zur Garantie des staatsfreien Raums der Arbeitsbezi- ungen nicht in Widerspruch geraten, es sei denn, die Ergebnisse der kollektivau- nomen Ausgestaltung kollidieren nach Einschatzung des Staates mit anderen, gleichrangigen Grundrechten, mit deren Einhaltungsuberwachung er beauftragt ist. Durch diese Einschrankung wird aus der absoluten Autonomie der Tarifverbande eine relative Autonomie, und aus dem unbeteiligten Nebeneinander von Verbanden und Staat ein aufeinander bezogenes Interagieren.
About the Author
Dr. Thilo Fehmel arbeitet am Institut für Soziale Arbeit und Sozialpolitik der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen sowie am Institut für Soziologie der Universität Leipzig.
Table of Contents
Tarifsystem und Tarifautonomie: eine Abgrenzung - Tarifautonomie als institutionalisiertes Arrangement zwischen Tarifverbänden und Staat - cultural approach: Bindung und Selbstbindung der Gewerkschaften - calculus approach: Tarifautonomie und das Interesse des Staates an sich selbst - Synthese: kulturalistische und utilitaristische Anteile der Institution „Tarifautonomie" - Die Beeinflussung der Tarifhoheit durch staatliche Akteure - Synthese: Flexibilität des tarifautonomen Handlungsraumes - Methodische Überlegungen - Die Funktion des Begriffs „Tarifautonomie" bei Konflikten um die Tarifautonomie - Schluss: Gesteuerte Autonomie