Synopses & Reviews
Synopsis
Der Wunsch, einem Wort auf den Grund zu gehen, ist vor das Paradox gestellt, da der Grund immer nur in weiteren Wrtern besteht. Die romantische Etymologie als Sprachdenken der Wrtlichkeit und hnlichkeit versucht nicht, dieses Paradox aufzulsen, sondern interessiert sich fr seine spekulativen und poetologischen Mglichkeiten. Ihre Erforschung tut daher gut daran, sie nicht auf Ergebnisse, sondern auf Verfahren hin zu befragen. Statt um die Vorgeschichte einer sprachwissenschaftlichen Subdisziplin geht es in Stefan Willers Studie um eine historische Poetik sprachlichen Wissens. Seit den Anfngen abendlndischen Sprachdenkens ist Etymologie vor allem eine Praxis im Umgang mit dem Wrtern. Statt sich auf Theorien ber Ursprung und Geschichte der Sprache zu verpflichten, performiert sie diese Theorien. Damit entsteht ein so grundlegender wie fruchtbarer Widerspruch zwischen dem reduktionistischen Begriff der Etymologie als Rckkehr zu einem Wahren, Ersten, Ursprnglichen und ihren kombinatorischen, Beziehungen stiftenden und vervielfltigenden Verfahren. Noch die Versuche moderner Linguistik und Sprachphilosophie, die Etymologie systematisch einzupassen, stoen immer wieder auf diesen Widerspruch. Mit dem doppelten Bezug auf heutige Konzepte von Etymologie und auf ihre lange Geschichte seit Platons Kratylos nimmt Willer die Verfahren der romantischen Etymologie in den Blick. Dabei differenziert sich die These vom Epochenbruch um 1800, mit dem der historisch-strukturelle Vergleich in die Sprachbetrachtung Einzug gehalten habe: Der fraglos vorhandene Zuwachs an empirischem Wissen ber Vielfalt und Historizitt der Sprachen begnstigt gerade das spekulative Potential des Sprachdenkens und fhrt zu einem programmatischen Konstruktivismus des Speicherns und Ordnens von Wrtern. Das gilt fr exzessiv mehrsprachigen Etymologien von J. A. Kanne ebenso wie fr Rckerts Versenkung in die kombinatorischen Mglichkeiten des Deutschen; fr das frhromantische Projekt einer Philologie als divi-natorische Buchstabenwissenschaft ebenso wie fr die Anstrengungen Jacob Grimms, seinen etymologischen Enthusiasmus zu zgeln und ihn in eine disziplinre Ordnung des Wissens ber Sprache einzugliedern. Auerdem zeigen kursorische Lektren zeitgenssischer Gedichte und Erzhlungen - Tieck, Brentano, Goethe, Kleist, Hoffmann -, dass die Etymologie entscheidend an einer Poetik des literarischen Textes der Romantik mitwirkt.