Synopses & Reviews
Synopsis
Excerpt from Vom Literarischen Publikum in Deutschland: Festrede im Namen der Georg-August-Universitt zur Akademischen Preisverteilung am 4, Juni 1902
Auch das ungelehrte Publikum des Reformationszeitalters, 'das grobe Gesind, welches das Latein gar nit oder wenig versteht', ging bei der neuen Bewegung nicht leer aus. Des Humanisten Brant Narren lockten mit ihrem Schellenklang und ihren prch tigen Bildern mehr als fnfzig fromme Bchlein, bis der Saufnarr von dem Saufteufel in der Gunst des Publikums abgelst wurde. Die Messe St. Grobians wurde zuerst lateinisch gelesen; das deutsche Schuldrama ist ein blosser Ableger des lateinischen, und selbst latei nische Auffhrungen wurden unter grsstem Zulauf durch deutsche d104bucher und Inhaltsangaben der Schaulust der Ungelehrten zugnglich gemacht. Trotz Allem steht der Durchschnittsleser des 16. Jahrhunderts, wo es nicht dem Glauben galt, noch mit einem oder wol gar mit beiden Fssen im Mittelalter. Die Moral, die nach wie vor Gutes wie Bses decken muss, liebt es jetzt auch aus Cicero und Horaz Sittensprche anzuziehen; man freut sich in Hans Sachsens deutschen Reimen auch aus Livius und Boccaccio manches zu erfahren. Aber der brave Nrnberger Poet fhlt selbst sehr wohl, dass er ein wenig rckstndig ist, dass seine Poesie nur dem gemeinen Mann ein anmutig Lustgrtlein, dem Gelehrten aber. Ein Monstrum und Meerwunder sei: war es einem Humanisten wirklich bel zu nehmen, wenn er vor der Moralschusterei zurckschreckte, die aus den Schicksalen der unglckseligen Knigin Klytmnestra lediglich schloss, dass ein kluger Mann seine Frau nicht lange ohne Aufsicht lasse? Hans Sachs war sich der Kluft bewusst, die das deutsche Publikum spaltete. Ein literarisch interessirter pommerscher Adliger, der bis zum Ende des Jahrhunderts ber allerlei bemerkenswerte Ereignisse Buch fhrt, streift eine Flle ausbndiger lateinischer Poeten, nicht einen deutschen.
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